Samstag, 12. September 2009

Hommage an Tim

Was täte ich ohne Tim?
Vermutlich wäre einiges einfacher und vieles langweiliger.

Ich muss zugeben, dass ich nicht gedacht hatte, dass ich ab und an zu einer solchen Zicke werden kann; wobei ich mich fragen muss, ob ich plötzlich penibel deutsch werde oder die Welt außerhalb meiner körperlichen und gedanklichen Grenzen Kopf steht. (Ich war immer davon ausgegangen, dass es einfach sei, mit mir zusammen zu leben, wobei ich sicherlich schlecht aus Erfahrung sprechen kann.)

Die ersten Wochen waren vielleicht nicht unsere besten, - ich gebe zu, dass ich ab und an nur contra gegeben habe, um contra zu geben; ich hoffe, dass es etwas ist, was typisch Frau ist, dann könnte ich zumindest behaupten, ich könne nichts dafür. Ab und an gebe ich immer noch contra, vor allem, wenn Tina Turner läuft; aber das sind Dinge, über die man reden kann und es sind kleine Dinge, die wir uns ab und zu selbst in den Weg stellen.

Seit gestern weiß ich aber, dass ich mit Tim eine wunderbare Ersatzfamilie gefunden habe, die tatsächlich nie versuchte, meine Familie zu ersetzen, - viel eher ist er eine ganz wunderbare Alternative geworden; jemand, der mir eine ganz andere Seite vom Leben zeigen kann und mich in Geduld übt, mich auch mal über die Dinge nachdenken lässt, in einer Art und Weise, die mir vorher verschlossen war.
Ich weiß nie genau, was in ihm vorgeht - aber das will ich auch gar nicht wissen. Es reicht, dass er hier ist.

Mit Tim zusammen zu wohnen, ist vermutlich einer der angenehmsten Nebeneffekte, den dieses Jahr für mich bereit hielt: er ist genau so eine Schulter zum Ausheulen wie ein gelenkiger Tanzpartner (die Gesichter der Nicas waren zu schön, als Tim mir gestern den Hüftschwung vom Aerobic vorführte).
Bevor das hier jedoch noch wie eine heimliche Liebeserklärung klingt: einen Mann, der mir beim Frühstück erklärt, Ohren seien hässlich und dass es "ein einfaches Loch auch getan hätte", ein Mann, der sich selbst als eine Mischung aus Horst Schlämmer und Hugh Jackmann versteht - den kann man doch nur mögen.
Und jeder, der nun denken mag, dass sich etwas anbahnt, der hat es nicht verstanden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.