Montag, 12. Juli 2010

Senf im Mund

Es ist eine dieser typischen Geschichten, die mir widerfahren, waehrend man ganz normale Dinge tut. Dieses Mal trieb es mich Samstag in eine Pulperia, um Senf zu kaufen. Nach zwei Jahren Vegetarianismus verlangte es nach Buletten, Frikadellen, Kloepschen, oder wie man es auch nennen will. Zuvorhatte ich in einem heimatlichen Gespraech zur Sicherheit das geheime Familienrezept gecheckt und nun befand ich mich also auf der Suche nach Senf, Mostaza.
Ich brauche Senf, sagte ich also. Haben Sie Senf?
Eine Frau schaukelte in einer Ecke in einem Schaukelstuhl, mit zwei Kindern auf dem Schoss und einem dicken Kind auf dem Boden.
Claro que si, erwiderte sie, stand schnell auf und legte ein kleines Tuetchen Senf auf den Tisch. Ich bezahlte und eigentlich nahm alles seinen unscheinbaren Lauf, doch noch bevor ich das Beutelchen einstecken konnte, kam das dicke Kind herbei, das sich noch kurz zuvor auf dem Boden luemmelte - und schnappt sich mein Senfpaket.
Das ist mein Seeeeenf, sagte es und streichelt den Senf.
Nein, meinte ich und versuchte, ein bisschen energisch zu klingen. Das ist mein Senf.
Das ist mein Seeeeenf, sagte es wieder und ich dachte kurz ans Sams.
Nein, sagte ich, alles, was hier ist, gehoert dir, aber sobald ich es kaufe, gehoert es mir.
Da nahm das Kind die Senftuete und schob sie sich ganz in den Mund.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.