Mittwoch, 9. September 2009
Di cristmas sison is a biuriful taim of pis and lov
Allein gestern versuchte ich, den Kindern das Alphabet beizubringen; es ist schwer, die Kinder vor Fehlern zu schützen, die sich in ihre kleinen Hirne einbrennen: immerhin - wir hatten die ganze Stunde über was zu tun. Leider war der Erfolg mäßig und mein Kopf war danach Matsche.
Dafür hatte ich heute nur eine einzige Stunde. Erneut Englisch, erneut sammelten wir Worte, die die Kinder kennen und naja ... wir können immer noch nicht sagen, wie wir heißen: ob es daran liegt, dass alle nicaraguanischen Kinder plötzlich schüchtern werden, wenn sie Englisch sprechen sollen, oder ob es damit zu tun hat, dass sie derartige Dinge aus dem Unterricht nicht kennen, - wirklich weit sind wir bisher noch nicht gekommen. Wie gut, dass ich ein Jahr lang hier bin.
Tatsächlich muss ich aber sagen, dass die Unterrichtsmethoden der Nicas anders sind: es wird viel auswendig gelernt, d.h. es wird gehofft, dass irgendetwas verinnerlicht wird, wenn nicht hängen bleibt. Dabei ist es egal, ob man es versteht oder nicht. Hauptsache, man kann es aufsagen. Vielleicht war gerade deshalb meine Idee der presentación der Kinder in den ersten Stunden getreu dem Schema "My name is ..., I am ... years old" viel zu optimistisch. Vielleicht habe ich tatsächlich zu viel verlangt.
Die 4to B kann man jedoch in keiner Weise unterschätzen; um ein paar Fotos für den Artikel für Ulla zu schießen, dachte ich mir, dass die Kinder wahrscheinlich am besten für derartiges Posen geschaffen sind. Und siehe da: meine Kamera weist nun so viele verschiedene Fingerabdrücke auf, dass ich froh bin, wenn ich das Projektil noch finde. Tatsächlich haben wir unglaublich viele Fotos gemacht und mein heimlicher Verdacht der Zicken im Raum hat sich bestätigt, denn die wirklich süßen und lieben Kinder sind auch schüchtern. Ein paar Anwärterinnen auf die zukünftige Miss Nicaragua waren aber trotzdem dabei - allerdings war das ja nicht meine Aufgabe. (Wobei die Mädchen recht viel von Miss Nicaragua sprechen und stets posen etc.)
Den gestrigen Abend verbrachten Tim, Froukje, Lina, Vivi und ich im Artesanos und unterhielten uns mit ein paar Nicas. Das Brot, das ich in der Zwischenzeit ins Leben rief, ist schon wieder aufgegessen, und heute Abend feiern wir Mirtes Geburtstag in einer Pizzeria. Wir haben ihr zudem eine Pinata gekauft, ein großes Wesen aus Krepppapier, und für Mirte gibt es Tigga. Den füllt man dann hier in Nicaragua mit ganz vielen Süßigkeiten und Mirte muss so lange auf ihm rumschlagen, bis er platzt und sie die Süßigkeiten fassen kann. (Da MIrte bereits einen eigenen Schlüssel zum Haus besitzt, verstecken wir Tigga momentan in meinem Bett. Ab und an schaut Tim vorbei und guckt, ob es ihm noch gut geht.)
Froukje hat für dieses spezielle Event geschmacklose Partyhüte mit lärmenden Trillerpfeifen gekauft und es wird sicherlich ein wilder Abend; - wir wissen nämlich gar nicht, wer noch alles kommt. Aber vielleicht hat unser Nachbar ja wieder was zu lachen.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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