Donnerstag, 22. Oktober 2009
Ananas und Donuts
Wenn ich meinen Geburtstag, meinen Einstieg in das 20. Lebensjahr betrachte, muss ich sagen, dass es ein ganz wunderbarer Tag war; um Mitternacht war ich hellwach, nahm mehrere Stromausfälle in Kauf, um das Paket meiner Eltern in kindlicher Neugierde zu öffnen (zerreisen wäre treffender); und ich muss es sagen, aber ein bisschen verdutzt war ich schon, als ich die Panna Cotta von Dottore Oetker inkl. italienischer Spielanleitung fand ... aber es ist nicht so, dass ich nicht wissen würde, was ich damit machen könnte.
Mirte und Tim beschenkten mich am heutigen Tage auffallend kulinarisch: von Tim gab es eine echte Ananas, für die er sich hier in Nicaragua sicherlich richtig ins Zeug gelegt hat, und einen Donut. Mirte steuerte das Mittagessen bei und gemeinsam saßen wir in unserer strahlend gelben Küche und schmatzten.
Zwischendurch konnte ich mich vor den verschiedensten Glückwünschen aus Deutschland kaum retten und ich danke allen, die gestern - oder vielleicht ja auch noch heute - an mich gedacht haben: es gibt einem ein ganz erstaunliches Gefühl, wenn man gerade in der Ferne so sehr verspürt, dass man nicht vergessen wird.
In der Schule verlor ich den Boden unter den Füßen. Tausend Kinder stürzten auf mich zu und umarmten mich, küssten mich, sangen für mich und egal, wohin ich ging, - ein neuer Grado stand stramm wie ne Eins vor mir und sag mir, dass am Tag, an dem ich geboren wurde, alle Flores aufblühten und weitere solcher Dinge. (So richtig verstanden habe ich den Text erst, als die gelangweilten Adoleszentes der 6to A mich mit ihrer ganz eigenen Variation dieses nicaraguanischen Geburtstagsliedes beglückten; diese war bei Weitem langsamer und pendelte stark zwischen Trauermarsch und Nationalhymne.)
Nun, zum Ende hin, gehen wir alle noch in die Pizzeria hier und werden es uns schmecken lassen ... und morgen krieg ich wieder Geschenke, weil dann die Party des Jahrhunderts steigt. Oder so ähnlich. Zum ersten Mal kann ich behaupten, eine Wuppertaler Festwoche zu zelebrieren. Und das in Nicaragua.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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