Samstag, 21. November 2009

In Bewegung

Wir haben Ferien: Und das sah gestern so aus, dass jeder Grado der Escuela Publica Wuppertal etwas kochte und das noch Brodelnde in schweren Eisentöpfen an die anderen verschenkte. Ich half Profe Judith beim Austeilen, tanzte mit ein paar Schülern und unterschrieb auf den Camisas der Sechstklässler mit einem frechen Dona Barbara.

Lange hielt ich es dennnoch nicht in der Schule aus: die Hitze unerträglich, die Musik seltsam technoelektrisch, ich selbst von jeglicher Spannung entladen schluffte nach zehn Minuten unter den glühenden Wellblechdächern über den Schulhofgang, während Kinder an mir vorbei flogen oder kleine Trici Tracas und Bomben legten.
Ich emfpand mich selbst als seltsam apathisch und fand mich irgendwann zu Hause wieder, wo ich auf dem Bett gammelte.
Demnach zu folgen, wäre die Betitelung dieses Artikels alles andere als passend: ich war sowas von nicht in Bewegung.

Dafür haben Tim und ich Donnerstag eine Entscheidung getroffen, die uns bald in Bewegung bringen wird: ein wunderbares Appartment an den Hängen Matagalpas hatte es ihm eines Abends nach der Besichtigung so angesehen, dass er mich mit den Worten: Barbara, alles kann sich ändern! begrüßte.
Da dachte ich mir zunächst, dass ich das gar nicht will: denn es geht uns gut hier. Wir sind nah an unseren Projekten, sind innerhalb von zehn Minuten in der Stadt, haben eine freche Hängematte und zahlen einen lächerlichen Preis für die Quadratmeter, die wir bewohnen. Zudem leben wir in diesem Haus nicht nur, weil man es uns eben gab, sondern auch, weil wir es uns hier selbst aufgebaut haben: wir haben Möbel gebaut, Wände angestrichen, halten Pflanzen auf unserer Veranda.

Und nun wird sich doch alles ändern: denn als auch ich dieses Appartment sah, hatte man mich schon überredet. Wir haben eine riesige Dachterrasse mit Blick über ganz Matagalpa, genau so ist eine komplette Wand verglast, die Räume sind hell und bereits ein wenig ausgestattet: die Konditionen sind die gleichen. Und es gibt Platz für Tim und mich; Mirte wird uns ab Januar verlassen. Und ab Februar, wenn alles glatt geht, werden wir dort einziehen.
Was wir uns in diesem Haus aufbauten, werden wir mitnehmen. Aber für die restlichen sechs Monate wird unsere Wäsche über Matagalpa wehen.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.