Sonntag, 13. Dezember 2009

Erstens kommt es anders ...

... und zweitens als man denkt.

Guatemala existiert ohne mich, zumindest im Dezember. Denn als ich am Montagmorgen aufwachte, sah es nach allem anderen aus, allerdings nicht nach Abreise.
Die nächsten Tage verbrachte ich im Bett und lernte die Rillen in meiner Zimmerdecke auswändig. (Es gibt sicherlich spannenderes, aber auch anstrengenderes. In diesen Fällen gibt man sich am besten mit seinem Los zufrieden - und schläft.)

Aber die Lust, zu verreisen, bzw. mal etwas anderes zu sehen, als die maisgelben Wände unseres matagalpinischen Hauses wurde größer. Und so retteten mich unsere nicaraguanischen Nachbarn inkl. ein paar Freunde: denn gemeinsam brachen wir auf, um uns dieses Land mal näher anzusehen, und mit ein paar Nicas das eigene Land zu entdecken, ist immer etwas anderes, als als Tourist Vulkane und Seen zu bereisen.
So brachen wir schließlich auf und nach einer Woche Nicaragua kann ich behaupten, meine vorübergehende bzw. neue Heimat besser zu kennen: Städte wie Masaya, Granada und Jinotepe sind mir nun ein Begriff.
Wir fuhren nach Managua, Catarina - wo es eine riesige Lagune gibt, die man nur per Fußmarsch durch den Dschungel erreicht -, nach Masatepe und an den Pazifik.
Liebe Leute, ich kann euch sagen, ich bin rot wie eine Weihnachtsmütze, aber wie schon der Vater einer guten Freundin zu sagen pflegte: krebsrot ist der einzige Weg zu haselnussbraun. Auf diesem Weg befinde ich mich momentan.

Doch nicht nur meine Pigmentierung veränderte sich auf dieser Reise; auch meine Sicht auf dieses Land. Denn bisher verstand ich Nicaragua als ein armes Land - auch wenn die Armut in Matagalpa nicht ganz so offensichtlich ist -, aber es ist immerhin das zweitärmste Land Mittel- und Südamerikas. Jetzt, wo ich auch die Strände, den Pazifik und den dortigen Sternenhimmel kenne, kann (vielleicht muss ich das auch) ich etwas tun, was ein Entwicklungshelfer normalerweise nicht tut: ich kann euch empfehlen, hierher zu kommen.



Die Strände und Städte nahe der Pazifikküste sind durchaus auf Tourismus eingestellt, - und bieten zudem jene Bilder, die ich zuvor stets nur auf Sehnsuchtskalendern in irgendwelchen Buchhandlungen sah und für reine Erfindungen der Urlaubsbranche hielt. Aber, eines kann ich euch nun sagen: es gibt sie, diese Sandstrände mit Palmen, Steinen und Holzhäusern. Und es ist tausend Mal schöner als jeder billige Kalender in jeder xbeliebigen Libreria.

Aber nicht nur die Pazifikküste Nicaraguas überrascht mit einer wirklich bezaubernden Natürlichkeit: auch Städte wie Granada oder Masaya, die Ursprünge des kolonialen Nicaraguas, sind unglaublich schön. Granada liegt nämlich nicht nur am Momotombo, einem der größten Vulkane Nicaraguas, sondern zudem am Lago de Nicaragua, einem der größten Seen der Welt; im Zentrum eben diesen Seens liegt Ometepe, eine Vulkaninsel, und im See gibt es die einzigen Süßwasserhaie der Welt.
Granada als Stadt wirkt beinahe italienisch; hohe Kirchen und bunte Häuser demonstrieren ihren Reichtum, die Straßen sind breit - es ist nur leider unglaublich heiß, aber dafür entdeckt man ein neues Nicaragua.



Zudem befindet sich naha Masaya ein aktiver Vulkan, der Nindiri, den wir genau so bestiegen und unsere europäischen Füße in den Boden rammten, während ein unwiderstehlicher Geruch von faulen Eiern uns in einem Nebel umgab.

Als wir schließlich gestern nach Matagalpa heimkehren, sind die sonst so vertrauten Berge so unglaublich hoch und gewaltig, dafür begrüßt uns unsere Heimatstadt mit einem milden Klima und im Gegensatz zu den Städten Carazos fällt ein sanfter Nieselregen.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.