Montag, 8. Februar 2010

Alfonso, der Hasenexperte

Mit der Zeit erschließen wir uns unser neues Barrio und lernen auch unsere Nachbarn besser kennen; mit einigen von ihnen teilen wir uns sogar den gemeinsamen Internetanschluss, - und zwar mit Alfonso und seiner Familie.
Während wir zu viert (Tim, Alfonso, eine Dame von Claro, dem Internetanbieter, und ich) auf dem Bett sitzen, erzählt uns Alfonso ein bisschen was aus seinem Leben.
Er ist Spanier und kommt eigentlich aus Leon. In Nicaragua hat er sich - vermutlich wegen den vielen, möglichen Verwechslungen - deshalb gegen Leon und für Matagalpa entschieden.
Das denke ich zumindest zuerst.
Dann erklärt er aber, dass er aus ganz anderen Gründen hier, in Matagalpa, ist; und dieser Grund hat zwei Ohren, auch genannt Löffel, und ein Stupsnäschen. Richtig.
Alfonso ist Hasenexperte.
Und zwar hat er sich darauf spezialisiert, das Verhalten von Hasen in tropischen und subtropischen Regionen dieser unserer Erde zu erforschen.
Das ist spannend.

Er zeigt uns ein Buch, das er geschrieben hat: Der Hase in fast allen Gebieten der Erde. Auf dem Cover sieht man ein paar weiße, ein paar braune und einen weiß-schwarzen Hasen. Das sei der californische Hase, erklärt er mir. Dann erklärt er mir den Unterschied zwischen californischem Langohrhasen und zentralamerikanischen Stupsnasenhasen.
Ich blättere ein wenig gedankenverlorenversunken in seinem Buch, gucke mir Bilder von Hasen an, lese über eine Hasenlegebatterie in der Nähe von Esteli, sehe ein Foto von Castor Rex (schöne Grüße nach Bischmisheim!!) und letztlich, am Ende des Buches, staune ich nicht schlecht: Alfonso hat tatsächlich auf den letzten fünf Seiten Hasenrezepte aufgelistet. Gebratener Hase mit Rotwein, Hasenschenkel mit Kartoffeln, und so weiter und so fort.
Man kann sagen, was man will: Alfonso ist ein echter Hasenexperte, der sich auf allen Gebieten auskennt. Bevor er einen Hasen aus seinem Ärmel zaubert, verschwinde ich und versuche das zu retten, was von Dianas Geburtstagskuchen vor lauter Haserei übrig geblieben ist.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.