Donnerstag, 18. Februar 2010

Mal wieder: San Jose

Wir sind nun schön öfter in San Jose gewesen, als in unserem Projekt.
Nein.
Natürlich nicht.
Aber wir sind schon wieder hier: in San Jose. Diesem costaricanischen Dorf.
Warum?
Nach einer knappen Woche mit Ralf, unserem Chef und Mehralsdas, brachen wir Montagmorgen nach Managua auf, wo wir ihn ins Flugzeug nach Brasilien setzten. Unsere Route sah nach Managua Granada vor, wo wir Selina einen Besuch abstatteten, damit wir anschließend bei ihr übernachten konnten.
Und mittlerweile ist tatsächlich das eingetroffen, was uns alle ankündigten: der nicaraguanische Sommer. Er geht von Januar bis März / April und er kokelt alles ab.
Matagalpa als Bergstadt ist da immerhin noch gediegen mediterran (was geographisch ja eigentlich gar nicht geht), aber Granada, die ehemalige Hauptstadt, die am Lago de Nicaragua liegt, ist ein heißes Pflaster.
Als wir in Granada ankommen, sind wir alle hinüber. Es ist kurz nach Mittag und wir sind zu gar nichts in der Lage.
Lina und Vivi gehen schwimmen. Tim und ich suchen uns ein kühles Restaurant, trinken Wein, damit es richtig knallt im Kopf, und anschließend baumeln wir im Bearded Monkey in Hängematten und trinken Cuba Libre.
Am Abend geht es schon wieder und wir können wenigstens schlafen.

Den nächsten Tag verbringen wir mit Busfahren. Nicht wir fahren den Bus, sondern sitzen drin, bzw. hinten, direkt vor der Bustoilette, die ab und an markante Duftnoten in unsere Richtung schickt. Lina und Vivi sprühen Deo in die Luft, wir schlafen, hören Musik oder halten uns die Nasen zu.
Als wir an die Grenze kommen, müssen wir mal wieder diese Blättchen ausfüllen:
Name, Vorname, Geburtsdatum, Wie viele Koffer haben Sie bei sich?, Haben Sie lebende Tiere oder frisches Essen bei sich?, Haben Sie mehr als 10 000 US$ mit sich oder einen ähnlichen Betrag in einer anderen Währung?, Haben Sie ein Schlachthaus besucht?
Die Frau neben mir hat keinen Stift, ich genau so wenig. Ich frage sie trotzdem.
Ich muss das nicht ausfüllen, sagt sie.
Okay, denke ich. Die weiß, wos lang geht. Ich nicke und suche anderswo einen Stift.
Ich muss das nicht ausfüllen, sagt sie noch einmal.
Ich gucke sie ein wenig zögernd an und frage dann, warum.
Sie lächelt entschuldigend, und auch ein wenig peinlich berührt.
Ich weiß nicht, wie.

Schließlich kommen wir gegen drei Uhr Nachmittags in San Jose an. Wir kaufen Tickets für die Rückfahrt am Montag um sechs Uhr morgens. Natürlich mag man sich nun fragen, was wir eigentlich in San Jose tun? Nun, wir müssen zu einem Seminar in Costa Rica, einem Zwischenseminar, das nach sechs Monaten auf dem Plan steht, damit man die nächsten sechs Monate auch noch durchhält. Man nimmt sich an den Händen und singt ein bisschen.
Naja. Vielleicht wird es ja auch schön. Aber wenn es nach uns ginge, bräuchten wir kein Zwischenseminar. In drei Tagen steht wahrscheinlich was ganz anderes auf diesem Blog. Aber so ist es immer. Kollektive Ablehnung, um Überraschungen zu ermöglichen.

Kurz nachdem wir eingecheckt haben, begehen wir bzw. ich den Fehler im Februar: ich bestelle mir etwas zu essen. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch verbringe ich mit meiner Pizza, und dieser kulinarische Austausch ist weniger romantisch.
Zum Glück haben wir bereits am Dienstagabend eine Argentiniern im Hotel kennen gelernt, sie ist Ärztin und kümmert sich Mittwochmorgen um mich.
Ich müsste liegen, wahrscheinlich den ganzen Tag, mich ausruhen.
Vivi bleibt bei mir, Lina und Tim fahren schon mal zum Seminar.
Ich schlafe den ganzen Tag, die ganze Nacht, nur zwischendurch stehe ich mal auf. Auf dem Gang zu unserem Zimmer werde ich von einer Oma überholt. Das macht mir schwer zu schaffen.

Als ich am Donnerstagmorgen aufwache, bin ich fit wie ein Turnschuh. Ich setze mich in den Gemeinschaftsraum, warte auf die Oma, um sie zu überholen, aber sie kommt nicht. Dafür sind alle Mitarbeiter des Hotels sehr freundlich, sie erkundigen sich nach meinem Wohlbefinden und strahlen mich an, als ich Ihnen sage, dass es mir schon besser geht.
Kurze Zeit später kommt ein Mäuschen, ganz in Pink und mit pefektem schwazen Haar, in den Gemeinschaftsraum und schaltet den Fernseher an. Sie guckt HipHop-Videos und wippt mit dem Fuß.
Ich muss mich fragen, ob meine Rückkehr aus unserem ruhigen, leisen Hotelzimmer in diese laute Welt der Technik, der Fernbedienungen und tiefhängenden Kapuzen, der Blingbling-Ketten und der schlechten Rheime nicht verfrüht stattfindet.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.