Freitag, 7. Mai 2010

10 Wochen

Momentan trösten wir uns noch, mit dem Glauben, in knapp drei Monaten, am 20. Juli, nach Hause zu kehren. Und doch wird einem ganz anders, wenn man daran denkt, dass es doch nur noch 10 Wochen sind, die so schrecklich schnell vergehen.
Man wundert sich dann, wie schnell überhaupt ein Jahr vergehen kann - ein Jahr, von dem man denkt, dass es ewig dauert. Und jetzt wäre ich gerne noch mal am Anfang, ich würde gern die Zeit noch einmal zurück drehen, auf August oder September und alles nochmal genau beobachten und genießen.
Leider geht es nicht, und vielleicht ist es auch gut so, denn man würde wahrscheinlich sein gesamtes Leben nach hinten spulen und gar nicht mehr die Lust oder den Mut aufbringen, Neues zu erleben.

Für uns alle geht es danach los mit dem Studium und für mich wird es vermutlich in Marburg weitergehen, - aber an all diese Dinge jetzt hier in Matagalpa zu denken, irritiert. Denn irgendwie wollen die Wellblechhütten und die Mangoverkäuferinnen, die Kinder vor den Supermärkten oder auch die Kleidergeschäfte gar nicht zu dem Leben passen, das bald ansteht, wieder los geht. Alles ist anders, alles ist Nica. Und alles ist so, wie wir es nun schon seit neun Monaten kennen; ich habe manche Dinge aus Deutschland vergessen, habe vergessen, wie Dinge schmecken oder wie es ist, durch eine Stadt zu laufen, deren Häuser in den Himmel ragen (bitte lacht nicht, im Vergleich zu Matagalpa hat Bochum wirklich ein Wolkenkratzerpanorama).

Genau so irritiert es mich ein wenig, zu wissen, dass nach diesen zehn Wochen neue Freiwillige kommen, die Ähnliches erleben werden, wie ich. Leute, die in meinem Bett schlafen, in meinem Haus wohnen und selbstverständlich den Schlüssel zur Haustür bei sich tragen. Leute, die nachmittags in die Escuela Publica Wuppertal eintreten, auf die die Kinder stürmen, und die sie mit auf den Campus nehmen.
Mit mir war es nicht anders, vor einem Jahr war ich die Neue - und doch frage ich mich, was bleibt. Natürlich, mir wird einiges bleiben, aber auf bestimmte Weise hänge ich sehr an dieser Stadt, an all den Menschen, die ich hier kennen gelernt habe - und es ist ein merkwürdiges Gefühl, an ein Land zu denken, das so anders ist als Nicaragua.

2 Kommentare:

  1. "[...]Denn irgendwie wollen die Wellblechhütten und die Mangoverkäuferinnen, die Kinder vor den Supermärkten oder auch die Kleidergeschäfte. "
    Einerseits könnte mans als Fehler ansehen, dass du vergessen hast den Satz zu beenden, aber andererseits hättest du nicht besser zum Ausdruck bringen können, wie Dir all die Eindrücke so nach und nach in den Kopf geschwirrt sind. ;)

    Cooler Blog, weiter so!
    Genieß die restliche Zeit so gut es geht!

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  2. Ich muss lächeln. Man merkt, dass Du dich im Grunde nicht so sehr verändert hast, wie es Dir vorkommt - aber auch, dass alles sowieso nur eine Frage des Standpunktes ist. (Und dass es wahrscheinlich keinen schöneren und aufregenderen gibt als Deinen.)

    Ich freue mich auf Dich, aber ich freue mich vor allem für Dich. :)

    Lulu

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.