Dienstag, 18. Mai 2010
Unplugged im Patio
Die meisten unserer Gäste wurden auch von den beiden eingeladen, gefeiert wurde bei uns - gerechte Aufteilung. Aber immerhin wollten auch Tim und ich die Tatsache genießen, dass wir Freunde in unsere bescheidenen vier Wände einladen dürfen, und so tummelten sich an diesem Abend mindestens 50 + Personen in unserem Haus; darunter waren auch Tims Eltern, die uns bewiesen, dass "älter" sein nicht unbedingt Spaßverlust mit sich bringt.
Das Beste aber an der ganzen Party war - neben dem von mir angefertigten Schokokuchen - die fünfköpfige nicaraguanische Band Bajo enllavado, die für uns im Patio spielten. Livemusik also, zu der man recht gut tanzen konnte, während ordentlich Cuba Libre getrunken wurde. Fast acht Stunden lang wurde Musik gemacht, von sechs Uhr abends bis zwei Uhr morgens, und Jorges Gitarrenverstärker sorgte dafür, dass unsere Party bis zur nächsten Tankstelle zu hören war.
Es war also schon eine schöne Veranstaltung, doch wie es oft so ist, bringt der Morgen danach einiges an Verwirrung. Denn während wir am Abend bzw. in der Nacht alle mit einem strahlenden Lächeln begrüßten, die unsere bescheidene Türschwelle überschritten, fragten wir uns am nächsten Tag, wer all die Leute waren, die uns so freundlich zunickten.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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