Mittwoch, 2. Juni 2010

Der Tag der Kinder

Ihr werdet lachen, denn wir feiern schon wieder. Aber so ist es im Kommunismus, man erinnert sich der guten Dinge, man feiert das Schöne, das Lebendige; also auch die Kinder.

Gestern war der Dia de los ninos, und ich verbrachte den gesamten Vormittag damit, im Park Santa Julia Billiart Kuchen zu schneiden und auf die Gemelos aufzupassen, während der Rest der Kindergartenkinder tanzte und sich über eine pinata freute. Ein Spiderman und ein blauer Bär aus Pappe und Krepppaier hingen über den Köpfen der Kleinen und wurden schließlich unter Jubel zerschlagen, Süßigkeiten flogen durch die Luft und ein Haufen Dreijähriger stürzte sich auf Bonbons, Lutscher und Kaugummi.

Wenig später gebe ich meine Klasse in der Escuela Publica Wuppertal; die sechste Klasse von Profe Maritza ist gelangweilt, wegen dem Tag der Kinder spielen wir Galgenmännchen mit englischen Begriffen, aber ich habe nicht mit dem Aggresionspotenzial einiger Mädchen gerechnet, die einem simplen Prinzip folgen: Grundsätzlich ist der andere Schuld und schummelt.
Zum Schluss verteile ich Bonbons, mit einem Mal steht Profe Maritza neben mir, lächelt mich an und streckt mir die offene Hand entgegen: "Sind wir nicht alle Kinder?", fragt sie.
Während ich ihr diese Frage mit einem Bonbon beantworte, bleibt eine andere offen: warum war heute nicht frei?

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.