Montag, 31. Mai 2010

Geschickt, geschickt

Die Nicaraguaner wissen, wie man ein Lächeln auf die Gesichter der anderen zaubert, sie wissen, wie sie sich Vorteile verschaffen, ohne dass irgendjemand widersprechen könnte, sie wissen, wie man sich einen ganz plötzlichen Feiertag verschafft; sie sind geschickt, spielen mit den Gesetzen wie mit den Worten, haben zu allem eine lockere Einstellung, sie nehmen nichts zu ernst, weil sie wissen, dass das Leben für derartiges viel zu kurz ist. So scheint es zumindest.
Seit zehn Monaten treffen wir auf das nicaraguanische Gemüt, und noch immer verstehen sie es, uns zu überraschen, - so zum Beispiel heute.
Tim geht in die Schule und kehrt nach zehn Minuten wieder: die Schule ist geschlossen. Ich mache mich auf den Weg in den Kindergarten, - und komme nach zehn Minuten wieder: heute kommen keine Kinder.
Und warum?
Es ist Feiertag, - ganz plötzlich. Irgendjemand hat es heute Morgen im Ministerium de Educacion beschlossen, und sofort laufen die Leitungen in ganz Nicaragua heiß, während sonst gar nichts mehr läuft. Die Calle Central in Matagalpa liegt still, Geschäfte sind geschlossen, die Taxis fahren spärlich in der Straße, wo es sonst recht eng ist.
Donnerstag war ebenfalls frei, der Tag der Mutter wurde gefeiert, der eigentlich erst Sonntag war; aber weil er am 30. Mai diesen Jahres auf einen Sonntag fiel, feierte man bereits Donnerstag. Freitag war ebenfalls frei, TEPSE, wie es heißt, die schulischen und vorschulischen Einrichtungen der Stadt treffen sich. Sonntag also Tag der Mutter, auch da war frei - und dann heute, ein ganz normaler Montag? Nicht in Nicaragua. Schließlich war gestern Tag der Mutter. Also ist auch heute frei.
Das soll mir mal jemand erklären.

1 Kommentar:

  1. nicaragua@habmalnefrage.de31. Mai 2010 um 19:09

    Hola, schön dein Reisetagebuch zu lesen. Ich bin gerade auch in Matagalpa und am WE wollte ich nach Leon, du beschreibst ja auch, wie toll es da ist und dass man da malhin muss... Weißt du wann da immer der Bus fährt? Oben am Terminal dann, oder wo? Freue mich sehr von dir noch mehr zu lesen und wäre lieb, wenn du mir kurz schreibst: nicaragua@habmalnefrage.de
    Vielleicht hast du ja noch einen Special Tipp, was ich in den nächsten drei Wochen noch unbedigt anschauen soll! 10000 Dank... Hasta luego...

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.