Samstag, 26. Juni 2010

Noch mehr Regen ... und eine Loesung

Es regnet in diesen Tagen immer wieder, stark und heftig, und Nhoe und ich sitzen im Flur und lernen Englisch, waehrend der Regen auf die Fliesen im Patio klatscht.
Profeeee, sagt Nhoe in einem Tonfall, der eigentlich glauben laesst, dass er ein Ablenkungsmanoever startet; er macht gern mehrere Dinge gleichzeitig, auch wenn es um Unterricht geht. Hast du eigentlich was fuer den Regen dabei? Einen Schirm?
Nein, sage ich. Aber ich hoffe, dass der Regen gleich aufhoert.
Ich hab was, sagt er und faengt ploetzlich an, in seinem Rucksack zu kramen. Hier, guck mal; er holt ein quadratisches Plastikteil hervor, das, schnell ausgefaltet, zu einem gelben Regencape wird. Ich beobachte, wie Nhoe sich hinein zwaengt, dann strahlt er mich an und dreht sich einmal um sich selbst.
Wie gut, dass du das hast, sage ich und zupfe ihm die Kapuze zurecht.
Hab ich von meiner Mammacita, sagt er und es klingt ganz liebevoll dankbar. Ich kanns dir leihen.
Ich muss laecheln, wie ich ihn so sehe. Denn einerseits kann ich mir mich selbst in einem solchen Teil gar nicht vorstellen, andererseits muss ich daran denken, dass er womoeglich von den Aelteren aus seiner Schule wqegen der Ueberzeugung und Ersthaftigkeit, mit der er dieses Cape traegt, ausgelacht wird, - bei diesem Gedanken will ich ihn am liebsten druecken.
Aber wenn ichs dir leihe, meint er, ganz gedankenversunken, hab ich keins mehr.
Tranquilo, sage ich, behalte du es. Der Weg ist ja nicht weit.
Er nickt. Und aus irgendeinem Grund behaelt er sein gelbes Cape die ganze Stunde lang an.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.