Freitag, 2. Juli 2010

Der ausserordentlich schoene Tag der Lehrer

In Nicaragua hat jeder Tag ein Motto. Oder jedes Motto hat einen Tag. Und so rueckte der Tag der Lehrer unaufhaltsam naeher. Da es auch in der Escuela Publica Wuppertal Lehrer gibt, waren alle ganz verrueckt. Zum grossen Tag wurde getanzt, Profe Sandra hatte den Kindern Nationaltaenze beigebracht, deren Choreografie zwar recht eingaengig war - zwei Schritte nach links, zwei Schritte nach rechts, ein Wiegen in den Hueften, Maenner heben jetzt den Sombrero und verneigen sich -, dafuer aber ein schoenes Bild bot.

Luisa, die eigentlich nur mal gucken wollte, sitzt neben mir auf der Buehne, wo Plastikstuehle fuer uns Lehrer bereit stehen. Gut, dass wir beide vorher noch darueber geredet haben, wie unangenehm es doch sei, auf eine Buehen gebeten zu werden.

Da sitzen wir also, gucken den Kindern beim Tanzen zu, hoeren die Gedanken, die Norma vortraegt - "Beim Lernen lehrst du, beim Lehren lernst du" oder "Ein guter Lehrer unterrichtet, ein sehr guter Lehrer inspiriert" -, Viertklaessler tragen Gedichte ueber den Lehrer vor, dabei staren sie stur zur Wand. Die Hymne des Lehrers wird gesungen und mal wieder schafft es Nicaragua, mich zu beeindrucken: Mit Stift und Papier schreiten wir zur Tuer, wir wollen lernen, wir wollen lernen, du, Lehrer, dein sei die Tafel, wir wollen lernen, wir wollen lernen, so lasst uns schreiten zum Alfabetisieren, wir wollen lernen, wir wollen lernen.
Dann kommen zwei Schuelerinnen mit Geschenken, schnappen sich das Mikrofon und bitten jede Lehrerin (es gibt ja nur einen Lehrer, den Profe Pedro) und eben den Profe Pedro nach vorne. Sie bitten auch mich nach vorne und ich bin ganz nervoes und alle kreischen und rufen meinen Namen. Ich bin ganz rot, aber ich freue mich unglaublich und nehme mein Geschenk entgegen, ein Parfum.
Zum Schluss wird nochmal gesungen, Musik wird gespielt, dann ist es auch schon wieder vorbei und so schnell, wie der acto de los maestros aufgebaut wurde, so schnell wird er auch schon wieder abgebaut. Es bleiben einige Schueler, die zu mir kommen, mir gratulieren, Kuesschen links und rechts geben und ich fuehle mich, zwei Wochen bevor ich dieses Land verlasse, ganz wohl und gluecklich und gemocht.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.