Donnerstag, 22. Juli 2010

Bochum: Hohe Häuser und ein komisches Gefühl

Ich sitze in meinem Zimmer in Bochum und habe ein komisches Gefühl; so als wäre ein Jahr ein Traum gewesen, so als wäre es wie an- und ausgeknipst, - denn auf den ersten Blick hat sich hier kaum etwas verändert.

Das stimmt natürlich nicht; denn auch dieses Land, diese Stadt und diese Wohnung haben ein Jahr hinter sich. Aber das, was ich sehe, ist etwas anderes: es sind Häuser mit echten Ziegeln, Häuser ohne Wellblech, mit echten Fenstern, es sind stille Strassen, in denen keine fahrenden Händler umher laufen und ihre Waren in einem lauten Singsang anpreisen; es sind volle Kühlschränke und ganz verputzte, tapezierte Wände. Es sind scheinbar bis auf den Glanz polierte Autos, deren Fahrer die Straßenverkehrsordnung kennen und befolgen; es sind zwei-, dreispurige Autobahnen, auf denen es auch Staus gibt; es ist ein Leben mit Zimmern, die so groß sind wie manch nicaraguanisches Haus; mit ö und ä und einem scharfen ß auf der Tastatur, ein Leben mit französischem Käse und schwarzem Brot. Ein Leben auf Deutsch.

Die Welt, an die ich mich gewöhnt hatte, ist eine arme, eine kleine Welt, in der die wenigsten Häuser eine zweite Etage besitzen; die Menschen dort versorgen sich selbst, sie besitzen wenige Bücher, dafür stehen sie oft am Fenster oder an der Tür und beobachten die Straße. Es ist laut, scheinbar chaotisch und doch läuft alles seinen geregelten Gang. Und es ist weit weg, dabei scheint es mir so vertraut.
Ich bin nun bei meiner Familie, bin glücklich, sie bei mir zu haben, - und doch ist es so unwahrscheinlich, dass man innerhalb eines Tages eine Welt wechseln kann; dabei war es von Anfang an abzusehen, denn heute vor einem Jahr brach ich auf nach Nicaragua.

Mein Blogbuch endet an dieser Stelle. Ein ganzes Jahr ist darin verpackt, und das ist gut so, bin ich mir doch manchmal unsicher, ob das wirklich alles passiert ist.
Ich danke allen, die mich auf meiner Reise begleitet haben, - und auch, wenn es für euch eine visuelle Reise war, hat es mir geholfen, euch bei mir zu haben und das, was ich erlebte, mit euch zu teilen; letztlich weiß ich nicht, wie viele es tatsächlich waren, aber ich hoffe doch, dass es euch gefallen hat.
Besucht Nicaragua, denn es ist wunderschön.

2 Kommentare:

  1. Ich kann mir gut vorstellen wie Du Dich fuehlst. :) Alles Gute in Deutschland...

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.