Donnerstag, 8. Juli 2010

Matagalpa - Managua - San Carlos: Der Beginn einer langen Reise

Am Samstag geht sie los, die letzte grosse Reise, die wir in Nicaragua unternehmen. Und sie wird ganz grossartig werden, wir werden einen ganz bezaubernden Fluss sehen, werden Karate Kicks machen und nette Polizisten treffen. Doch bis dahin ist es noch weit.
Um fuenf Uhr morgens sitzen wir im Bus nach Managua. Wir sind zu zweit, das heisst, eigentlich sind wir zu dritt: Luisa, ich - und Wurmi. Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, ich haette mich in diesem Jahr einer Rueckentwicklung hingegeben, wird Wurmi nur hier einmal kurz erwaehnt, obwohl er es viel oefter verdient haette.
Wir sitzen also im Bus nach Managua und reden, waehrend die Sonne aufgeht. Unser Reiseziel? Der Rio San Juan. Der angeblich schoenste Fluss Nicaraguas, von dem es heisst, dass man, wenn man dort nicht war, Nicaragua nicht kennt. Das will ich mir natuerlich nicht vorwerfen lassen und so fahren wir an diesem Samstag dort hin.
Um an den Rio San Juan zu gelangen, muss man einiges auf sich nehmen. Dreh- und Angelpunkt ist die Kleinstadt San Carlos, die an der Muendung des Rio San Juans in den Nicaragua-See liegt. Doch bis dahin warten 9 Stunden Bus auf uns oder eine Stunde Flug fuer teures Geld. Also haben wir uns fuer den Bus entschieden, der angeblich um acht Uhr morgens abfaehrt. Doch das ist ein Irrtum; denn der einzige Bus, der heute noch nach San Carlos faehrt, ist der Expressbus um ein Uhr. Was tun mit all der Zeit?

Wir fahren ins Metrocentro in Managua, wo es zu diesem Zeitpunkt bereits 2:0 fuer Deutschland steht. Kleine Fernseher sind ueberall aufgebaut und wir verfolgen das Geschehen mit einem Haufen Nicaraguaner, deren aller Herzen fuer Argentinien schlagen. Ganz verhalten geben wir zu erkennen, dass wir gerade am Gewinnen sind.
Als das Spiel entschieden ist, laufen wir ein bisschen durch die Mall, gucken in ein paar Shops hinein, trinken einen Kaffee, knabbern Moehren und Gurken und dann ist es auch schon 12 Uhr.

Die Tickets fuer den Bus haben wir bereits gekauft und somit haben wir auch reservierte Plaetze, was ein Vorteil ist; denn die Busse nach San Carlos fahren selten und sind meistens propenvoll. Am Busbahnhof Mayoreo in Managua ist es furchtbar heiss; wir kaufen Wasser und sind doch vorsichtig beim Trinken, denn zwar wird der Bus auch irgendwann mal halten, allerdings ist unklar zu welcher Zeit.
Als wir uns in Bewegung setzen und die staubigen Strassen Managuas hinter uns lassen, sind wir beide ganz aufgeregt. Urlaubsstimmung liegt in der Luft und waehrend wir Richtung Sueden fahren, Boaco und Juigalpa passieren, gucken wir aus dem Fenster und staunen ueber die Schoenheit dieses Landes.
Wir fahren an weiten Feldern und hohen Bergen vorbei, fahren ueber Huegel und beobachten den langsamen Wechsel der Vegetation bis schliesslich immer mehr Palmen auftauchen.

Gegen fuenf Uhr verlassen wir die asphaltierte Strasse und folgen einem staubigen Weg, unpaved road, so steht es im Reisefuehrer und es wird davor gewarnt. Doch wir haben Glueck, es regnet nicht, zumindest jetzt noch nicht und so bleiben wir nicht im Schlamm stecken. Irgendwann machen wir eine Pause und wir sind dankbar. Da merken wir auch, dass es allen so ging, wie uns, denn es bildet sich eine ganz bemerkenswerte Schlange vor den baños.

Als wir weiterfahren, legt sich langsam die Nacht uebers Land. Es blitzt und letztlich setzt der Regen ein. Er ist das, was man hier fuerte nennt, und als wir San Carlos um neun Uhr erreichen, steht uns das Wasser bis zu den Knoecheln. Langsam waten wir durch die Strassen, denn wir haben Glueck. Bereits im Bus haben wir uns fuer ein Hotel entschieden und eine unserer Mitreisenden gefragt, wo es ungefaehr liegt. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau die Tochter der Besitzerin ist, und so geleiten wir zumindest sicher ins Hotel San Carlos.

Es stellt sich als ein Ort zum Schlafen heraus, wirklich, nur zum Schlafen, aber es ist in Ordnung, denn mehr haben wir jetzt auch nicht vor; ein paar Minuten gucken wir noch zu, wie das Regenwasser die Strassen entlang spuelt, denn wir haben eine Terrasse und fuehlen uns gut da oben. Gegen halb elf gehen wir schlafen und selbst der merkwuerdige Geruch und der laute Ventilator halten uns davon nicht ab.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.