Dienstag, 24. November 2009

Männer in Nicaragua

Kommen wir zu einem Thema, das durchaus heikel ist. Heikel, nicht heiß. Denn die meisten der Männer, die lässig arbeitslos an einem Laternenpfahl lehnen, sich im Parque Ruben Darío die Füßer von Zwölfjährigen bohnern lassen und dabei Jagd auf Chelas machen, sind alles andere als Abbilder Gottes - könnte man ja eigentlich denken, in diesem religiösen Land; doch wie ich Mirte vernahm, sitzen die einzig schönen Männer Nicaraguas im Gefängnis.
Das ist natürlich schade. Da sieht man sie so schlecht.
Was Mirte im Gefängnis gemacht hat, ist nicht Gegenstand meiner aktuellen Betrachtung, es sei nur so viel gesagt: ihr Aufenthalt war nicht von längerer Dauer oder ernstem Ausmaß. Vielmehr ein Besuch.
Aber das sagen wohl auch viele Nicaraguaner ihren Frauen, wenn sie übers Wochenende nicht zu Hause waren.

Vielleicht muss ich, bevor ich fortfahre, eines klarstellen: ich bin keine Feministin, keine Alice Schwarzer im bunten Kostüm, keine Olympe de Gouges auf Irrfahrten, keine kleine Simone de Beauvoir, - kurzum: niemand, der mit einem Male eine Welt schaffen will, die es in Nicaragua nicht geben kann.
Zumindest jetzt nich.
Wie jedoch all diese zweifelsohne bedeutenden Persönlichkeitinnen, bin ich eine Frau. Und das führt nun mal zu eben dieser kühnen Behauptung, die ich drei Atemzüge zuvor in den Monitor meines Laptops eintippte: Nicaragua ist kein Land, das den Feminismus als Basis behaupten würde.
Wäre auch merkwürdig, denn der europäische Feminismus passt hier genau so wenig hin wie Kermit der Frosch zu Tutti Frutti.
Aber Spaß bei Seite, denn so läppisch das nun klingt, - man kann es als ein wirkliches Problem sehen. Solange man eine Frau ist. Oder vielleicht ein Europäer. Die haben ja ungefähr eine Ahnung von dem, was auch möglich ist.

Man möge sich nun fragen: was faselt sie da? Wovon redet sie?
Ich gebe ein Beispiel, damit es ein wenig deutlicher wird, was ich zu vermitteln versuche: ich gehe die Straße entlang und es ist einer dieser Tage, an denen ich mich wie wiedergekäut fühle. Sprich: ich sehe ein bisschen wüst aus. Es gibt Tage, da sehe ich aus wie die schönste Beere auf der Torte (gut, ich will ja nicht übertreiben: ich fühle mich so. Ob ich tatsächlich so aussehe, sei dahingestellt), und genau so gibt es Tage, da sehe ich aus wie die letzte Beere auf der Torte: oll und gedätscht.
An diesen Tagen spricht man mich besser nicht an, zumindest nicht, wenn man mich nicht kennt und die Aussage und der dahinter verborgene Zweck so verborgen sind, dass noch nicht einmal Karla Kolumna und Bibi Blocksberg es verstehen würden; laufe ich also daher und höre von einem fetten, schmierigen Nica ein anstößiges Adioos, dann würde ich am liebsten eine Bratpfanne dabei haben, und ihm so richtig eins überziehen. Es hilft auch nichts, wenn sie beginnen, mehrsprachig zu werden: Adios. Keine Reaktion. Byyyeee. Keine Reaktion. Ciaooo. Keine Reaktion.
Genau so wenig beeindruckt es mich, wenn sie mir Kosenamen geben: Adios, chelita, mi amor. Und ich denk, ich kipp vom Bordstein und lass mich vom Gulli fressen.
An manchen Tagen ist es nicht ganz so schlimm; dann ist es eher lustig und man beginnt, zurück zu tssssen; aber auf die Dauer ist es auch anstrengend.

Nach der Anklage kommt die Verteidigung: nicht alle Männer hier versuchen es auf diese Weise. Es gibt einige, die sich anstrengen und eine natürliche Konversation zu Gange bringen.
Meistens sind das Taxifahrer.
Heute schenkte mann mir eine Orange und erklärte, dass wir ein perfektes Paar wären, wenn er ein bisschen jünger und ein bisschen größer wäre. Ich dankte der Zeit für ihre Unerbittlichkeit und seinen Eltern für seine schwachen Gene.
Dann sagte er, dass er schon viele Chelas gesehen hätte, aber keine wäre so schön wie ich. Die Worte kamen so flink aus seinem Mund, dass sie entweder lange einstudiert oder vollkommen unüberlegt waren.

Und trotzdem: ein schwärmender Taxifahrer ist mir allemal lieber, als ein hombre de la calle, der mir bis nach Apante hinterher sieht.

Die nicaraguanische Gesellschaft ist merkwürdig; denn meine Schüler leben oft ohne Vater. Brenda sagt, ihr Vater ist doof und lebt in Costa Rica. Josues Vater lebt auch in Costa Rica, aber ob er doof ist, weiß ich nicht. Der Vater unserer drei Nachbarsmädchen machte sich auch aus dem Staub; vielleicht ist er ja auch in Costa Rica. Dort scheint es Asyl für geschiedene Ehemänner zu geben.
Wenn jedoch alle Frauen in Nicaragua alleinerziehend sind, und wenn alle Väter in Nicaragua eigentlich in Costa Rica sind, - wie kommt es, dass es immer noch so viel Machismo hier gibt? Kann ja eigentlich nicht sein, wenn die Väter die Kinder, also auch die Söhne, enttäuschen.
Ein Rätsel.

Nicht alle nicaraguanischen Männer sind so. Nicht alle befinden sich immer und überall auf der Suche nach einer Frau, der sie hinterher pfeifen können. Nicht alle sitzen im Gefängnis. Aber im Vergleich zu Nicaragua ist die deutsche Geschiedenenrate ein absoluter Witz.

3 Kommentare:

  1. Hallo Barbara,
    endlich bin ich dazu gekommen, dein geheimes Tagebuch zu lesen. Muss es ganz geheim bleiben oder darf ich es auch zum Weiterlesen empfehlen, ggf. auch an Schüler/innen der 9 b, die dich sicherlich noch aus libli-Zeiten kennen.
    Ich wünsche dir weiterhin viele aufbauende neue Erfahrungen.
    Hajo Salmen

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  2. Hallo!
    Nun, es steht im Internet, also ist es für jeden zugänglich, den es interessiert, was ich hier so verbreche. Wenn zu diesen Interessenten auch die Schüler/innen der 9b gehören, sind sie mehr als herzlich eingeladen, meine Existenz gelegentlich zu überprüfen.
    Liebe Grüße aus Matagalpa,
    die Autorin

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  3. hey voll interessant dein tagebuch.wo kann man dich den weiter lesen.habe auch gerade einen mann aus nicaraguar kennengelernt,ja was soll man da sagen,matchos sind die wirklich aber da gibt es auch wirkliche schöne drunter und ein bisschen spanisch gelaber ist doch auch nicht gerade unromantisch,was will man da machen ich schmeiß mich jedenfalls voll rein ins abendteuer und fühl mich wie 18.die männer schmücken sich seit der entstehung der menschheit mit schönen federn.also warum sollen wir frauen nicht auch mal das leben genießen.ich war auch lange verheiratet und habe 2 kinder großgezogen,hat nicht funktioniert.es gibt nie eine garantie auf etwas im leben.und einmal latino immer latino. (ÜBER MÄNNER IN NICARAGUA VON 24.09 20099 )

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.