Mittwoch, 29. Juli 2009

Armut in Nicaragua Teil II

Matagalpa ist eine der sichersten Städte in ganz Nicaragua, und die Armut ist hier noch lange nicht so offensichtlich wie in Managua. Zwar stehen hier auch oft bettelnde Kinder an den Supermarkteingängen – und man muss sich wirklich fragen, wie man mit dieser Armut umgehen soll, wie man ihr begegnen soll. Es ist schwierig, in diesen Dingen eine Antwort zu finden, die richtig und vor allem auch möglich ist. Wir können nicht jedem etwas geben, aber wie blind sind wir, wenn wir für ein Jahr hierher kommen, gut leben, essen, trinken, ein Dach über dem Kopf haben und einen Lohn bekommen, von dem die Nicas nur träumen? -, aber bisher war mir Matagalpa anders erschienen.

Bis zum gestrigen Abend, an dem Tim und ich all die Dinge vor die Haustür gestellt haben, die unsere Vorgänger uns hinterlassen hatten: alte Matratzen, verbogene Plastikteller, Schmutz, Müll.

Heute Morgen war kaum noch etwas von all diesen Dingen da, und es war nicht die Müllabfuhr, die diese Dinge – Müll in unseren Augen – fortgebracht hatte, sondern unsere Nachbarn, Menschen aus Matagalpa, die mit all dem, was wir nicht mehr brauchten, viel anfangen konnten. Sogar im Laufe des Morgens kamen noch viele Kinder und wirkten geradezu beflügelt, als sie die Tüten vor unserem Haus sahen. Manche fragten, weshalb wir das alles nicht mehr brauchten, und ich war froh, dass mein Spanisch nicht reichte, um ihnen zu erklären, dass es Müll ist.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.