Mittwoch, 19. August 2009

Bismark und Kenia

Die letzten Tage vergehen etwas schleppend, wobei wir immer genügend Dinge tun, um abends tot ins Bett zu fallen. Gestern Abend haben wir zudem eine Massage von Diana bekommen, die uns noch nach dem Sprachkurs besuchte und mit der wir immer viel Spaß haben - in unserem gestrigen Gespräch habe ich gemerkt, was für ein wunderbarer Mensch Diana ist und was für ein Glück wir haben, dass wir sie und Lussi bereits zu Beginn kennen gelernt haben; die beiden sind wirklich goldwert und hören sich im Sprachkurs und danach nicht nur unser brüchiges Spanisch, sondern auch so manche Probleme an: es geht nicht immer nur um die Fremde, in der wir hier sind, um das Vermissen oder um das Wundern, - es geht auch so oft um Dinge, die fernab jeglicher Kulturkreise jeder Mensch erlebt und diesbezüglich können uns Diana, als "erfahrener Mensch", und Lussi als gute Freundin und gelernte Psychologin unglaublich zur Seite stehen.

Was meine Arbeit angeht, bin ich immer noch in der Testphase und kriege Küsschen und sitze meistens hinten im Klassenraum, um die Kinder dabei zu beobachten, wie sie unförmige Dreiecke malen oder wie sie Sportunterricht in den engen Klassenräumen machen; was vom Ministerium vorgegeben wird, sind recht merkwürdige Verrenkungen, bei denen die Kinder den Kopf in die eine Richtung drehen und danach in die andere, dann gucken sie an die Decke, und wenn sie das dann alles noch auf Kommando schaffen, kriegen sie eine gute Note.
Bei manchen Dinge, die in der Schule passieren, wird man doch nachdenklich; d.h. nicht, dass es alles unbedingt schlechter ist - aber tatsächlich merkt man doch, wie viel die nationale bzw. kulturelle Gesinnung eines Landes und seiner Bewohner das Leben maßgeblich beeinflussen kann. Wir wundern uns - vor allem, wenn Tim erzählt, dass in seiner Schule die Nuller-Reihe bevorzugt gelernt und abgefragt wird: 0x1, 0x2, 0x3, etc.

Die ca. 350 Kinder erwarten momentan bereits, dass ich ihre Namen kenne, und auch hier kommt man aus dem Wundern nicht mehr raus; viele haben amerikanische oder englische Namen, und doch habe ich gestern Kenia und Bismark kennen gelernt, die mir fest überzeugt versicherten, dass es nicaraguanische Namen seien. Bei Bismark musste ich doch mehrmals nachfragen, Kenia fand ich auch schon verwunderlich, - aber Nairobi habe ich auch schon getroffen. (Ich warte nur noch auf Bochum und Kölle)
Während ich mich also im Stillen an den Namen der Kinder erfreue, haben die umso mehr Spaß an der Tatsache, dass ich nur einen Nachnamen habe; - undja, wieder wurde ich gefragt, ob ich studiere und ob ich Kinder hätte, ob mein Mann mit den Kindern zu Hause in Deutschland sei und ob ich sie nicht vermisse.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.