Samstag, 15. August 2009

El dia de la fiesta

Drei Wochen nach unserer Ankunft und einen Tag nach unserer Einweihungsparty, ist das Erwachen recht trüb. Was unsere Fiesta anging, so können wir wohl davon sprechen, dass sie ein voller Erfolg war. Denn obwohl wir geschätzte zwei Stunden in der Küche standen, um echte rheinländische Rhivekuchen auf unsere Plastikteller zu zaubern, war das Ergebnis für uns und unsere nicaraguanischen Gäste mehr als zufrieden stellend: nicht nur, dass die anfangs klebrige Masse aus Haferflocken, Kartoffeln und Zwiebeln zu echten Küchlein wurde - deren Konsistenz geradezu „konsistent“ war – nein, auch unsere Wohnung stellte sich als durchaus partytauglich heraus und so hatten wir einen wirklich schönen Abend, an dem wir völlig ungezwungen Spaß mit ein paar Freunden hatten. Zudem bekamen wir im Gegenzug echtes nicaraguanisches Essen (wobei ich den Namen nicht mehr erinnere) .

Im Laufe des Abends brachten wir unseren Maestras und Maestros auch eine wichtige deutsche Worte bei, wobei die beiden Renner wohl Reibekuchen und danke waren (unsere Nicas sagen „tanke“ und man will sie alle an sich drücken).

Ansonsten bestand der Tag gestern aus einigen Missverständnissen – beispielsweise hatte ich gestern frei. Das wusste ich leider nicht, denn Mary Lou hatte mir nichts davon gesagt, dass die Schule am nächsten Tag geschlossen sein würde. Und so lief ich in der größten Mittagshitze vorbei an einem strahlenden Daniel Ortega, dessen Plakat über mir prangte und der mir und seinem Volk verkündete, dass wir in diesem Jahr alle gemeinsam den 30. Geburtstag der Revolution feiern.

Nun ja. Meinen ungebremsten Arbeitseifer hat so leider niemand mitbekommen, da niemand in der Schule war und folglich niemand weiß, dass ich auch am freien Tag zu meiner Einsatzstelle gehe, - zumindest dachte ich das. Aber zwischen Sprachkurs und Fiesta traf ich die Professoressa Olga im Supermarkt zwischen Spülmittel und Wischmobben (Wischmobben? – wo ist das Institut für deutsche Sprache, wenn man es mal braucht?!) und sie erklärte mir, dass alle heute frei hatten.

Der Gedanke, dass ich einen freien Tag geradezu verpasst habe, war nicht sonderlich schlimm, weil ich so meine Zeit damit verbrachte, in Rekordzeit Erfrischungsgetränke zu trinken, so dass alle Kellner des Artesanos mich ab sofort mit bewundernden Blicken begrüßen. Zudem war ich zu stolz, um mich erneut mit meinem Laptop zu bewaffnen, denn es muss ja auch mal möglich sein, ohne Technik Zeit tot zu schlagen. Also saß ich gedankenlos im Artesanos, bis der Rest der Truppe mit dem Sprachkurs fertig war und kämpfte gegen die einfallslosen Versuchungen der westlichen Welt.

Anschließend gingen wir ans Einkaufen und darauf saßen wir alle in unserer Casa de Fiesta, hatten nicht genug Stühle und genossen es, wie unsere maestros und maestras unseren Tisch und unsere Zimmer bewunderten. Das Essen enthüllte einige nicaraguanische Tücken und Sonderheiten – was am Bild des Käses sehen wird -, aber alles in allem hatten wir einen ganz wunderbaren Abend.

Beim nächsten Mal werden wir auch genug Stühle und noch einige Zimmerpflanzen haben. Was aber viel wichtiger ist: Mit dieser Fiesta, dieser inoffiziellen Einweihungsparty, sind wir nun tatsächlich angekommen.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.