Samstag, 29. August 2009

Verbrannter Mais und eine Besichtigung

Wenn man ein Jahr an einem anderen Ort verbringt, dann kann nicht immer alles klappen und nicht immer alles toll sein. Das haben wir in der letzten Woche gemerkt. Es war recht ernüchternd, ins Projekt zu gehen, zuzusehen, wie die Kinder alles von der Tafel kopieren, während ich da sitze und mittlerweile alle Sitzpositionen und die darauf folgenden Rückenschmerzen kenne. Ab Montag wird alles besser.
Es war tatsächlich nie schlecht, - das muss man fairer Weise dazu sagen.
Aber mit der Zeit wartet man doch auch, dass die eigene Präsenz in diesem Land darüber hinaus geht, Tische zu bauen und Rheibekuchen zu backen. Natürlich macht uns das auch Spaß - aber wir merken nun, wie wichtig ein gesunder Ausgeich, ein equilibrium, zwischen Arbeit und Vergnügen ist.
Wenn ich gleich nach Hause komme, fangen Tim und ich an, ein Regal für mein Zimmer zu bauen. Zudem haben wir gestern das Haushaltsparadies in Matagalpa entdeckt: eine Fabrikhalle, in der gebrauchte Küchenutensilien und noch viel ehr verkauft werden. Tim und ich haben einen Ofen, ein paar Teller und ein kleines Tier gekauft, von dem wir nicht genau wissen, was es ist (und ob es hier im Dschungel lebt), aber es ist so eine Art Bilderrahmen. (Das klingt unglaublich kompliziert und sadistisch, das arme blaue Schwein, aber seid unbesorgt, es lacht die ganze Zeit).

Myrthe war gestern bei uns und hat sich unser Haus und ihre zukünftige Wohnung in Spe angeguckt. Es war perfekt: Das einfallende Sonnenlicht schien das Wohnzimmer leuchten zu lassen und alles in allem sah es wirklich perfekt aus. Die Tatsache, dass wir wohl bald auch Internet zu Hause haben werden, hat sie wohl so gut wie dazu bewegt, einzuziehen. Sie sagt uns zwar erst in einer Woche bescheid, aber der Glanz in ihren holländischen Augen ließ mich wissen, dass wir bald zu dritt sein würden.

Während Myrthe sich srahlend von uns verabschiedete, fassten Tim und ich den Beschluss, unseren Ofen einzuweihen. NIchtsahnend liefen wir also in Richtung Supermarkt, als wir bemerkten, dass die Nicas an diesem Abend ihr traditioneles Maisfest abhalten: Mais in Maisblättern, Maiskolben, Maistortillas, Maiskuchen ... es wurde alles an Straßenständen gebraten, gebacken, klebrige Paradiesäpfel gab es auch, genau so lebende und tote Schweinchen, die (je nachdem) vergnügt quiekten, ein paar Musikgruppen traten auf und hatten sich Maisblätter ins Haar geflochten. Über unseren Köpfen prangte ein Banner mit der Aufschrift: Somos todos los hijos del mais. Wir sind alle Maiskinder.

Tim und ich lenkten unsere Schritte weiter zum Pali, wo wir vergebens nach Kuchenformen suchten; die waren wahrscheinlich alle fürs Maiskfest drauf gegangen. (Das hielt uns trotzdem nicht davon ab, an diesem Abend einen Kuchen zu backen, der letztlich eine merkwürdige Konsistenz und eine noch erstaunlichere Farbe - zumindest für einen Kuchen - aufwies ... er war grün und glitzerte. Das Glitzern ist klar: das war der Zucker.)

Gemeinsam mit Lina, Vivi, Lussi, Ryan (ein Amerikaner), Angie (eine Amerikanerin und Mitbewohnerin von Lina und Vivi), Diana, Sandra und Gaby (eine recht bekannte nicaraguanische Sängerin udn Feministin) saßen wir bei Lina und Vivi im Patio und knabberten Kekse und unterhielten uns.

Recht bald löste sich unsere Gemeinschaft jedoch auf und wir marschierten zu uns, um besagte Backware zu kreiren. Das nächste Mal werden wir aber dafür sorgen, dass alles besser läuft ... der Ofen macht sich jedoch gut. Wenn die Stäbe beginnen, zu glühen, sieht es ein wenig aus wie bei Kevin allein zu Haus im Keller.
Aber wir haben ja keinen Keller.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.