Montag, 21. September 2009
Weisheiten und Wahrheiten oder: Spaß mit Belgien
Das ist ganz richtig. Dreibeinige Tische wackeln tatsächlich nie; sie fallen sofort um. Das wurde mir allerdings nicht gesagt und so lag diese Erfahrung in den zahlreichen Situationen empirischer Natur, die ich bereits in diesem Land machen durfte. Leider war der Moment, in dem die dreibeinigen Tische aus eigener Seriendarstellung sich dazu entschlossen, umzufallen, denkbar ungünstig, denn eine gute Flasche Supermarktwein und ein paar Gläser (wohl gemerkt: Gläser, keine Becher. Das ist etwas, worauf wir sehr stolz sind) gingen dafür drauf.
Zudem kratzte dieser Unfall auch an meinem Ego, denn mein guter Mitbewohner, auf den ich vor einer geschätzten Woche noch eine Ode hielt, ließ es sich nicht nehmen, von dem aus dieser misslichen Situation entstandenen Schaden auf meine handwerklichen Fähigkeiten normativ zu schließen.
Meine Antwort war ein bloßes Pf, das den Tisch trotz allem nicht davon überzeugen konnte, sich von selbst wieder aufzurichten, den Wein in die Flasche zurück zu füllen und meine verlorene Ehre wieder herzustellen.
Seit gestern sind wir jedoch zu dritt im Haus: Mirte ist eingezogen. Leider wurde sie in ihrer ersten Nacht sofort krank - worauf sie am nächsten Morgen gleich begann, das Klo zu putzen: und dagegen will man ja dann doch nichts sagen.
In jeder Kultur mag etwas fremdes stecken, etwas, das wir mit der Sicht unserer ethnologischen Brille nicht erkennen können; und so erschließt sich uns in diesen Tagen auch die holländische Kultur und wir lernen unseren Nachbarn im Nordwesten ein wenig besser kennen. Und wir machen Witze über Belgien.
Das ist böse - aber es scheint eine universelle Abneigung, nein, ein allgemeines Übereinkommen über den Standort Belgien geben: so, als ob es ein europäischer Irrtum sei. Ich entschuldige mich dafür und für diese bösen Worte; was hat Belgien uns nicht gegeben? Pommes, Pralinen und Brügge. Und das sind alles Dinge, die eigentlich recht schön sind ...
Trotzdem hatten Mirte und nich heute Morgen sehr viel Spaß mit Belgien, als wir vor der Weltkarte standen. (Ich warte auf den Tag, an dem mir ein Kind mit Namen Belgien begegnet ...)
Und wo wir schon beim Wohnen und Leben in Matagalpa sind: ich wurde nun schon vermehrt darauf angesprochen, dass ich ja hier bleiben möchte. Ich glaube, dass ich tatsächlich falsch verstanden wurde: ich sagte, dass es schwer werde, wieder zu gehen, dass es ein Land ist, mit dem ich mich vebrrüdert habe. Und ist es nicht merkwürdig, dass ich ausgerechnet in Nicaragua meine eigene Unabhängigkeit formuliere, meine eigene Freiheit und womöglich noch viel mehr suche - in einem Land, das selbst noch nicht so weit ist?
Naja. Zurück zum Ausgangspunkt: Ich komme wieder, ist doch klar. Aber dass ich anders sein werde, dass ich dieses Jahr und dieses Land nicht vergessen kann, nicht vergessen werde - das ist doch wohl klar? Aber um Sina zu beruhigen: Ich werde immer noch ich sein; nicht jemand anders, sondern ich. Aber der Weg dahin, den geh ich wahrscheinlich gerade.
Klingt ja furchtbar, wenn man sich das so durchliest.
Ich habe zu viel Freizeit.
In dieser Woche beginnt mein Wochenende wieder am Mittwoch. Ich sitze oft auf dem Bett und schreibe oder gucke einen Film, wenn ich gar nichts mehr weiß. Letztens - als ich allein im Haus waren udn alle anderen noch unterwegs - habe ich einen Horrorfilm geguckt; und mich furchtbar gelangweilt.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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