Montag, 19. Oktober 2009
Baseball in the Jungle
Generell merkt man, dass Nicaragua bzw. Zentralamerika näher an den Staaten liegt als Deutschland oder Frankreich; in erster Linie ist das eine geographische Tatsache, die in ihrer Reichweite allerdings auch den hiesigen Lebenswandel und die Vorstellung eines guten Lebens beeinflusst: zu einem solchen Leben gehört auch echter Baseball.
Und so fand ich mich gestern mitten im Dschungel, gemeinsam mit unseren Nachbarn, und spielte Baseball. Ich glaube, ich habe mich sogar gar nicht so dumm angestellt, zumindest war es nicht ich, die den Ball ins nicaraguanische Dickicht und somit ins Nirgendwo beförderte. Dafür waren meine Würfe im Maßstab 1:100 immer noch im negativen Bereich.
Nach einer Stunde wildem Wühlen zwische Lianen und Farnen, entschlossen wir uns, dass es nichts mehr zu suchen gab und machten uns auf den Weg zurück; der sich dadurch auszeichnete, dass es ihn nicht wirklich gab: wir trippelten durch Tomatenanbau und wateten durch endlose Kohlfelder, bis wir schließlich wieder festen Boden unter den Füßen spürten. Zum Abschluss aßen wir echt nicaraguanisch in einem netten kleinen Restaurant, das tatsächlich so versteckt liegt, dass man es nur findet, wenn sich hier auskennt, oder wenn man sich verläuft. Manchmal kommt es tatsächlich aufs Selbe hinaus.
Das beste an der Sache war: wir mussten nicht zahlen, denn wie das eben in Nicaragua ist, kannten unsere Nachbarn den Stiefbruder des Cousins des Vetters zweiten Grades des Besitzers einer kleinen Bar in Jinotega, dessen Nachbar wiederum einen Autoverleih in Managua besitzt, wo sich der Schwippschwager des Inhabers unseres gemütlichen Restaurants ab und an ein Auto mietet.
Und damit ist die Rechnung dann vergessen ...
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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