Dienstag, 29. Dezember 2009
Gestrandet und gerettet
Tobi, Lukas und ich hängen in unseren Hängematten, gucken aufs Wasser, schlafen, lesen oder hören Musik. Die Lady Amy frisst sich durch das schmatzende Meer, Lukas freundet sich mit dem Koch des Schiffes an, der uns Hamburguesas macht und irgendwie sind wir doch ganz vergnügt.
Um fünf Uhr passieren wir El Bluff am Rand der Lagune. Noch etwa eine Stunde, dann sind wir in Bluefields. Die Hoffnung, von dort noch irgendwie auf eine Lancha aufzuspringen, die uns nach El Rama bringt, damit wir dort den Nachtexpress nach Managua nehmen können, verläuft sich im Sand.
Genau wie unser Schiff. Denn irgendwie kennt unser Captain sich nicht mit der Lagune im Dunkeln auf. Und schließlich laufen wir auf Grund. Ab halb sechs bewegt sich die Lady Amy kein Stück weit mehr, statt dessen bohrt sie im Sand, das Wasser zu unseren Seiten ist schlammig, und zu allem Überfluss fängt der Motor an zu dampfen.
Allan, ein kleiner Junge mit Schuhgröße 42, erklärt, dass wir immerhin nicht sinken können. Das ist clever, denke ich mir, und irgendwie beruhigt es mich auch.
Der rauchende Motor hingegen macht mich ein wenig stutzig.
Wir warten bis sieben und schließlich kommt die nicaraguanische Army angefahren und rettet uns alle. Alle Passagiere der Lady Amy werden auf Boote verladen und es ist, als rettete man uns aus einem Krisengebiet.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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