Dienstag, 29. Dezember 2009
O Palmenbaum
Denn nicht nur Leon, Linas Bruder, hat an Weihnachten Geburtstag, sondern auch Tobi.
Da Carlito, unser Hotelmanager (Hotel ist relativ, denn wir sind in kleinen Hütten untergebracht, deren Tür man nur öffnen muss, um Meer, Palmen und Hängematten zu sehen), nur über hausgemachtes Frühstück, aber nicht über einen Kiosk verfügt, laufen Selina, Vivi, Lina und ich los, um den Geburtstagsbrunch unter Palmen zu organisieren.
Es ist bereits jetzt schon heiß und wir laufen durch die Palmenwälder, Lina und ich brauchen eine halbe Stunde, bis wir endlich die einzige Panaderia auf der Insel gefunden haben (immerhin, das wäre eine halbe Inselumrundung). Einen Geburtstagskuchen gibt es leider nicht, dafür Pan de Coco. Die Sachen, die wir kaufen, lassen uns geschwitzt bei Carlito am Strand ankommen und unsere männlichen Companeros kommentieren unseren Aufwand mit dem Satz Ihr seid super und spielen weiter Karten.
Danke.
Gemeinsam mit Linas Eltern bereiten wir einen Geburtstagstisch, hängen Luftballons an Palmen auf und schmücken die insulare Botanik mit Herzgirlanden.
Das Frühstück wird ein absoluter Festschmaus und als uns anschließend ein Holländer zum Schnorcheln einläd, sind wir alle so vollgestopft mit Scheibenkäse, Brot und Nektar, dass wir nicht anders können, als nein zu sagen.
Den Nachmittag verbringen wir individuell, einige von uns schwimmen zum Riff und sehen Baracudas und Mantarochen, einige rufen ihren Familien an oder schauen im Internet vorbei.
Einen Gottesdienst gibt es auf Corn Island nicht; erst am nächsten Morgen um fünf Uhr - was wir kategorisch ausschließen -, und so warten wir auf den Abend. Alle zusammen gehen wir Essen und schließlich schmücken wir eine Palme an unserem Strand, legen Geschenke unter den Baum und beginnen, Weihnachtslieder zu singen. Dazu gibt es Rum und ob es daran liegt oder ob es uns wirklich nicht gelang - aber wir kommen bei den meisten Liedern nicht über die erste Strophe hinaus.
Das beschämt uns alle ein wenig und schließlich tauschen wir Geschenke, um darüber hinweg zu täuschen.
Wir bleiben noch ein wenig zusammen sitzen, dann verschwindet der Großteil der Truppe auf die andere Seite der Insel in einer Disco. Ich für meinen Teil bleibe mit Linas Eltern am Strand und wir haben eine schöne, gemütliche Unterhaltung.
Es ist ein anderes Weihnachten, das wir da feiern, und doch ist es schon sehr merkwürdig, was wir von unserer deutschen, von unserer europäischen Kultur mitnehmen, so dass wir schließlich in der Karibik vor einer geschmückten Palme (mit Weihnachtsstern!) sitzen, Lieder singen und an Schnee denken. Jeder von uns hat seine eigene Vision von Weihnachten und doch - es war schön in der Karibik.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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