Montag, 11. Januar 2010

Bocas del Toro: Rum aus Kaffeebechern

Wir ueberqueren die Grenze nach Panama am 09. Januar 2010. Ein gruenes Schild mit weisser Schrift zeigt uns, wo wir uns befinden, eine eiserne Bruecke zeigt uns den Weg in das Land der Tigerenten und eine laecherliche Schlange von zehn Menschen wartet gemeinsam mit uns auf den Stempel.
Im Vergleich zur panamanesischen Grenze sind die Nicaraguaner echte Dramatiker.


Nach zehn Minuten sind wir ueber die Grenze, wir ueberqueren die Bruecke, die fast zusammen bricht und Selina meistert ihre pedestiale Ueberfahrt im Kampf gegen die Hoehenangst. Auf der anderen Seite stehen schwarzfarbige Maenner und begruessen uns mit den Worten Welcome to Panama. Sie sagen das zu jedem, und ich frage mich, ob sie da ein staatlich anerkanntes Amt bekleiden.
Von Panamas Grenze faehrt uns ein Minibus zu einem Ort, der nur ein weiterer Ort ist, an dem wir weiterverschifft werden; schnell merken wir: die Panamaneser - oder Panamanier - haben es raus mit dem Umladen und Verschiffen von Guetern und Waren oder auch von Menschen. Recht flink haben sie uns auf eine Lancha verteilt, unser Gepaeck ist verstaut und schon rauschen wir ueber die Lagune. Es erinnert mich alles ein wenig sehr an Bluefields und fuer einen kurzen Moment kehrt mein Corn-Island-Insel-Trauma zurueck. Dann sehe ich ein riesengrosses Frachtschiff, die Chiquita Deutschland, - sie ist schwarz-rot-golden angestrichen und gibt mir ein gutes Gefuehl.

Gegen halb drei kommen wir auf Bocas del Toros groesster Insel an: die Colon erwartet uns mit schoenen Kolonialhaeusern und dicht haengenden Wolken. Wir sind nass vom Weg ueber die Lagune und, richtig, muede. Vom Reisen, vom Denken, vom Sitzen, von Wasauchimmer. Wieder begeben wir uns auf die Suche nach einem Hotel, wir finden ein feines, billiges in zentraler Lage.
Als wir jedoch abends einen Cocktail trinken wollen, werden wir enttaeuscht: es ist Feiertag in Panama und das bedeutet, dass einfach niemand an diesem Tage Alkohol ausschenken darf. Ein wenig beleidigt sind wir schon, gehen durch die Strassen der Insel, bis wir schliesslich die Rip Tide finden: ein Schiff, das eigentlich ein Restaurant ist. Oder ein Restaurant, das eigentlich ein Schiff ist.
Das beste daran: hier schenkt man Alkohol aus. Allerdings in Kaffeebechern, denn alles andere ist illegal. Also trinken wir unseren Rum aus weissen Kaffeebechern, waehrend die Rip Tide friedlich vom Wasser hin- und hergeschaukelt wird.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.