Montag, 11. Januar 2010
Delphine und ein Faultier
Aber genau das haben wir vor. Und genau das machen wir auch.
Zunaechst steuert unsere Lancha jedoch eine Tankstelle an, und die befindet sich - da es nun mal um ein Boot geht - auf dem Wasser. Gemeinsam mit sieben anderen Touristen verfolgen wir das Geschehen, glotzen dumm wie Fische und sind ganz ordinaer.
Dann legen wir ab, unsere Lancha fliegt ueber die Laguna, aber im Gegensatz zu nicaraguanischen Lanchas weisen die panamanesischen Lanchas einen Luxus vor, der nicht zu unterschaetzen ist: Sicherheitsvorkehrungen. Und wieder merkt man, dass Nicaragua arm ist.
Wir fahren mindestens eine Stunde ueber die Wasserlandschaft, die sich aus Mangrovenwaeldern, kleinen Inseln und einem Horizont zusammensetzt, der irgendwo ganz weit hinten zum Meer wird.
Dann gelangen wir in die Bucht, in der es angeblich Delphine gibt; mit uns warten sechs andere Boote, in der sich Touristen in laecherlich roten Schwimmwestchen an den Bootsrand draengen. Waere ich Delphin, wuerde ich jetzt unten bleiben.
Aber die Tiere sind freundlich und lassen sich blicken. Sie kommen sogar ganz nah ans Boot heran, Fotos werden geschossen und as und os schallen ueber den See.
Nach zehn Minuten wird es den Tieren und unserem Bootsfahrer zu bunt und wir fahren in Richtung Restaurant; das befindet sich wie alles hier auch auf dem Wasser, es regnet in Stroemen und so verzweifelt wie wir sind, genehmiegen wir drei uns einen Coco Loco. Es ist noch nicht einmal zwoelf Uhr, aber wir schieben unseren Durst auf die Zeitverschiebung. In Panama sind wir naemlich eine Stunde naeher an Deutschland - und darauf muessen wir einen trinken.
Spaetestens zu dieser Stunde lernen wir Heidi kennen; Heidi heisst eigentlich Heidemarie und kommt aus Wien; an dieser Stelle muss erwaehnt werden, dass Selinas Nationalempfinden zu diese Zeitpunkt wieder steigt. Heidi ist ihres Zeichens Lehrerin fuer Spanisch, Englisch und Franzoesisch. Mit ihr verbringen wir den gesamten Nachmittag und zum Ende hin ist sie nach Matagalpa eingeladen, wo sie uns in unseren Schulen besuchen wird.
Von unserem Restaurant auf Stelzen fahren wir ein bisschen Snorkeling, aber es ist wenig atemberaubend nach dem, was wir bereits auf Corn Island gesehen haben.
Was wir jedoch nicht auf Corn Island gesehen haben: Faultiere. Sie haengen frech in den Mangroven und bewegen sich tatsaechlich kaum. Nur ganz unauffaellig bewegen sie den Kopf hin- und her, so als ob sie sagen wollen: comme si, comme ca, man baumelt sich durchs Leben. Ein bisschen neidisch fahren wir an ihnen vorbei.
Doch wer als Faultier auf die Welt kommt, hat einen Nachteil: er kann nicht an den Red Frog Beach gehen, er kann sich nicht sonnen und nicht den Sog der Wellen spueren und er kann auch nicht ein duennes Sandwich fuer drei Dollar kauen, das ihm ein amerikanischer oder australischer Beach Boy verkauft, der staendig sorry ist, weil er eigentlich nichts hat, was auf der Karte steht.
Da wir nur ab und an den Zustand eines Folivoras annehmen und auch nicht zu den zahnarmen Saeugetieren gehoeren - zumindest jetzt noch nicht -, tun wir aber genau das: wir gehen an den Red Frog Beach, und dort stehen wirklich kleine Kinder, die uns rote Froesche entgegen halten. Wir machen Fotos, wir gehen ins Wasser, wir legen uns in die Sonne. Es ist schoen und sehr natuerlich - und das Wetter hat letztlich auch noch mit uns mitgespielt.
Gegen fuenf verlassen wir die Isla de Colon und die Inseln des Bocas del Toro entgueltig. Unsere Lancha macht mir zum ersten Mal Angst, aber auch hier passiert uns nichts, die Chiquita Deutschland bringt uns wieder Glueck, dabei ist sie nicht mehr da ... schon laengst hat sie ihren Weg nach Deutschland begonnen, waehrend wir am naechsten Morgen die Lichter von Panama City erblicken.
Was es heißt, zu gehen
Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.
Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.
Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.
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