Mittwoch, 13. Januar 2010

Der versteckte Kanal

Wir sagen dem Taxifahrer,dass wir gerne zum Kanal fahren wollen.
Haeh? Kanal? Welcher Kanal?
Wir gucken uns ein bisschen verwirrt an.
Zum Panama-Kanal, sagen wir.
Den kann man nicht sehen, sagt er, als waeren wir dumm. Ist ja auch ne Frechheit - zu denken, in Panama koennte man den Panama-Kanal sehen. Wir versuchen es nochmal:
Aber der fliesst doch direkt hier vorbei.
Da kann man nicht hin.
Wir revidieren unsere Destination und korrigieren uns: wir wuerden gerne einen Teil des Kanals sehen.
Achso, sagt er, als waere das vorher nicht abzusehen gewesen,- und schon weiss er, wo er uns hinbringen muss.
Wenig spaeter stehen wir wieder unglaeubig da, dieses Mal am Wasser, an einer Promenade, die wie die Grenze zwischen zwei Weltmeeren aussieht. Aussehen koennte. Sein koennte.
Lina fragt.
No, no, nononono! Es el pacifico. Er schuettelt den Kopf und muss nun wirklich denken, dass Touristen furchtbar dumm sind. Kommen hierher, und wollen den Kanal sehen. Er zeigt auf zwei Bojen, die in einigem Abstand voneinander froehlich auf dem Wasser tanzen. Das, sagt er, das ist der Kanal.

Wir verabschieden uns, laufen ein bisschen an der Promenade entlang und versuchen, ihn zu verstehen. Fette Schiffe fahren an uns vorbei, sie tragen Container und j, natuerlich ist das hier der Kanal. Aber wir wollen keine Bojen, wir wollen keine Palmen. Wir wollen schwere Kraehne und Umschlagsorte sehen.
Schliesslich fahren wir zu einer Station, die Miraflores genannt wird. Selina weiss, dass man dort den Kanal sehen kann.
Ah, ihr wollt den Kanal sehen, sagt der Taxifahrer und wir kommen uns ein bisschen bloed vor.

In Miraflores angekommen, sind wir enttaeuscht; ein riesiges Gebaeude versperrt uns die Sicht zum Kanal. Das ist clever, denn da muss man erst mal acht Dollar bezahlen, um dann schliesslich ein kleines bisschen Kanal zu sehen.
Hey, hey, sagt der Mann an der Kasse, wollt ihr zum Kanal?
Ja, sagen wir, aber wir wollen nicht zahlen.
Er sieht uns ein bisschen komisch an, zuckt dann mit den Schultern.
Wieder gehen wir ein bisschen spazieren, sehen uns ein paar Schleusen an, alles ist ganz friedlich und wir sind es auch. Schliesslich fahren wir wieder in Hotel, gehen etwas essen und bilden uns ein, dass zwei Bojen ein Kanal sein koennen.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.