Freitag, 15. Januar 2010

Ein grosser Hund

Am gestrigen Tag verlasse ich Panama City; waehrend die anderen sich nach Boquete aufmachen, habe ich Glueck nach sehr viel Unglueck und so kriege ich noch einen Platz im Ticabus um 11:00 Uhr morgens nach San Jose. Dort kommen wir um zwei Uhr nachts an, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Auf meiner Reise verabschiede ich mich von Panama, unterhalte mich ein bisschen mit Jonas, einem Panamanesen, der in Nicaragua lebt; seine Frau hat bald Geburtstag. Und was schenkt man da? Natuerlich: zwei Schweine.
Sie wird sich bestimmt freuen, sagt er und strahlt mich in nervoeser Vorfreude an.

Der Bus ist klimatisiert, sie zeigen einen Film nach dem anderen, die Zentralamerikaner, die hier sitzen, lassen sich beschallen oder schlafen. Gegen Mittag wird Essen ausgeteilt und ich bin froh, Vegetarierin zu sein. Jonas freut sich auch, denn so kriegt er mein Huehnchen. Die eben genannte Zeremonie wiederholt sich gegen acht Uhr erneut. Mein Sitznachbar findet es anscheinend sehr lustig, dass ich kein Fleisch esse, aber als wir beim Abendessen wieder Essen austauschen, schenkt er mir ein Broetchen und irgendetwas Frittiertes aus Mais.

Dafuer, dass wir mehr als 12 Stunden im Bus sitzen, vergeht die Zeit schnell. Jonas und ich unterhalten uns oder schweigen miteinander und das kann man ja auch nicht mit jedem.
An der Grenze muessen wir alle raus, unser Gepaeck wird aus dem Bauch des Busses gezerrt und in einer Schlange aufgestellt. Geht weg vom Gepaeck, sagt ein Grenzbeamter, jetzt kommt ein Hund, ein grosser Hund, er braucht Platz.
Der Hund, der da kommt, braucht keinen Platz, sondern ein bisschen mehr Pedigree. Ziemlich verwirrt laeuft er zwischen den Koffern hin und her, spaeter jagen sie ihn noch durch den Bus. Der grosse Hund geht mir noch nicht einmal bis zu den Knien, aber die Grenzbeamten sind mit seiner Arbeit mehr als zufrieden.

Waehrend ich in der Schlange stehe und darauf warte, dass mein Pass einen neuen Stempel bekommt, lerne ich MArlyn kennen. Sie ist Nicaraguanerin, arbeitet in einem Projekt mit Kindern und lernt Deutsch. Sie ist ganz begeistert, jemanden aus Deutschland kennen zu lernen und fuer den Rest der Grenzprozession nimmt sie mich unter ihre Fittiche; wir muessen naemlich ein ganz schoenes Stueck laufen, bis wir zum anderen Grenzposten gelangen; wir haben quasi ausgecheckt aus Panama, aber wir muessen noch in Costa Rica einchecken und befinden uns somit gerade auf ausserstaatlichen Gebiet. Es ist wie auf einem Flughafen, nur ohne Flugzeuge, dafuer mit mobilem Dutz Free. Maenner und Frauen laufen vorbei und wollen mir Parfum andrehen, als ich gerade dabei bin, meine persoenlichen Daten anzugeben.

Es ist halb acht, als wir alle bereit sind, weiterzufahren; doch bevor das passiert, wird das Gepaeck erneut untersucht. Dieses Mal nicht von einem Hund, sondern von echten Maennern, die groesser sind als mein Knie. Sie reissen die Koffer hoch, schleppen sie auf steinerne Ablagen und machen alles auf. Ich bin schon ein bisschen mies drauf, dass da einfach jemand an mein Gepaeck geht, aber ich habe Glueck: um meinen Rucksackinhalt zu erblicken, muss man alles rausholen, - das ist den Grenzbeamten dann doch zu bloed. Sie machen ihn oben rauf, sehen eine Zeitschrift ueber Panama, stoehnen und sagen listo.
Mir ists recht.

Mittlerweile ist es dunkel, es gibt keine Filme mehr, wir rattern dahin, ich hoere Musik und schlafe schliesslich. Um halb zwei werde ich wieder wach und sehe viele kleine gelbe Punkte in einem riesigen Tal flimmern; es sieht aus, als habe man eine Gluehwuermchenkolonie vor Augen; San Jose.

Als wir den Bus verlassen, ist es kalt. Schon im Bus war es kalt, den man trotz der Nacht weiter klimatisierte. In Laendern wie Panama ist es noetig, aber San Jose ist kuehl, angenehm. Und in der Nacht kalt.

Ich verabschiede mich von Jonas, von Marlyn und schliesslich faehrt ein Taxifahrer mich zu dem einzigen Hotel, das ich kenne.

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Was es heißt, zu gehen

Mit knapp zwanzig Jahren Lebenserfahrung habe ich mich entschlossen, ab Sommer 2009 für ganze zwölf Monate nach Nicaragua zu gehen; dass es geklappt hat, hatte ich zwischendurch nicht wirklich gedacht; aber dass ich nun, Anfang Juli, so kurz vor der Ausreise stehe und meine Schulzeit einfach so an mir vorbei gegangen ist - das ist noch weniger zu begreifen. Ich werde natürlich an diesem Zustand nichts ändern können und freue mich tatsächlich wahnsinnig auf die Zeit in Mittelamerika. Bisher haben sich meine Auslandserfahrungen auf den europäischen Raum begrenzt; am 23. Juli geht es jedoch los in ein Land, von dessen Existenz ich zuvor zwar wusste, aber an das ich doch zugegeben wenig gedacht habe - und das ich geographisch als Abiturientin "drüben" eingeordnet habe.

Innerhalb eines Jahres werden sich mein Weltbild, meine geographischen und kulturellen Kenntnissen verschieben, neu ordnen. Ich werde einen Teil der Welt kennen lernen, der von Armut, Korruption, Drogen und der Hoffnung auf Besserung bestimmt wird, - aber genau so von Gastfreundlichkeit, Freude am Leben und an dem wenigen, das man hat.

Ich verlasse meine Heimat, ohne zu wissen, was Heimat eigentlich ist.

Natürlich werde ich wiederkommen - jedenfalls gehe ich stark davon aus -, aber die Entwicklung, die ich in diesem Jahr vollziehen werde, ist jetzt noch gar nicht abzusehen. Es fällt leicht, über all diese Dinge an einem warmen, geheizten Ort (im Winter) zu schreiben, wenn man von all dem umgeben ist, das man zum Leben braucht. Wie es tatsächlich in Nicaragua aussieht, was sich tatsächlich hinter dem Wort Armut verbirgt und was man als Europäer tun kann oder tun muss, werde ich erst in einem Jahr wissen. Dieser Blog ist daher zweierlei: einerseits eine Informationsstation, die allen, die es interessiert oder auch nur zufällig hierher stolpern, Eindrücke meines Lebens in Nicaragua schildern soll; andererseits eine Gedankenkiste, in der ich all das verarbeiten und mitteilen kann, was ich hier erlebe; im Großen und Ganzen ist es dabei auch ein Beitrag meinerseits, um eine Welt, die unglaublich verknüpft ist und die denkbar unvorstellbar von der Technik und dem Fortschritt profitiert, zu ermöglichen, die sich in all der Schnelllebigkeit auch noch gegenseitig versteht und zuhört.