Sie müssen noch einmal alle in die Berge, müssen zu den Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, sie gehen zu den Analphabeten - das alles hatten Norma und ihre Truppe bereits letzte Woche getan. Aber es gab Fehler bei der Auswertung und deshalb muss alles nochmal gemacht werden.
Damit Papa und ich nicht am nächsten Tag nichts-tuend Batido-schlürfend da sitzen, erstellen wir ratzfatz ein Ersatz-programm und es sieht vor: leon viejo. Denn die Stadt, die wir am ersten Tag besuchten, lag ursprünglich am Managuasee, direkt neben dem höchst aktiven Vulkan Momotombo und wurde auch von eben diesem durch einen Vulkanausbruch im Jahre 1609 zerstört, der ebenfalls mit einem starken Erdbeben einherging. Daraufhin entschloss man sich, die Stadt Leon neu aufzubauen, jedoch etwas weiter westlich, nahe am Pazifik.
Wir kommen gegen halb zwölf in Leon an, wo wir uns gleich nach der Weiterfahrt nach Leon Viejo erkundigen; auf den ersten Blick scheint unsere Rute einfach: Leon - La Paz Centro - Leon Viejo. Doch der Bus, der nach La Paz Centro fährt, ist ein absoluter Chicken Bus, das heißt, er hält an jeder Milchkanne. Ständig steigen Leute ein und aus, es besteht eine menschliche Osmose im Bus und wir haben Glück, dass wir zwei Plätze hinten im Bus gefunden haben. Es ist furchtbar heiß und der Schulbus braucht eine Ewigkeit für die verhältnismäßig kurze Strecke nach La Paz Centro.
Dort angekommen, blicken wir uns verwundert um - und stellen fest: hier ist nichts.
La Paz Centro ist eine dieser Westernstädte, in denen der Wind die Sträucher über die leeren Straßen fegt und nichts als Staub aufwirbelt, Fensterläden klappern und der Wind heult - in der Nacht. Hier ist es am Tag so. Ein paar Männer sitzen am Busbahnhof, trinken Cola und gucken Fernsehen in einer Bar, deren Boden platt getretene Erde ist. Wir setzen uns fesch dazu, trinken Fruchtsäfte und warten auf den Bus zum Momotombo.
Der kommt dann auch, im Bus sitzen zwei Mormonen, die uns fragen, ob wir schon ein mal vom Great Mormon gehört hätten. Wir verneinen und gucken aus dem Fenster, als der Bus sich schließlich ins Rollen setzt und wir dem Momotombo immer näher kommen.
In einer kleinen Stadt, unscheinbar und ohne feste Straße, spuckt uns der Bus aus. Der Busfahrer deutet in eine Richtung, murmelt Leon Viejo und die Uhrzeit, wenn der Bus wieder fährt.
Okay, kein Problem für uns, denken wir zumindest. Müden Schrittes schlurfen wir über den schwarzen Vulkansand und nähern uns dem Weltkulturerbe. Die Mauern Leon Viejos
Etwas schneller, damit uns niemand mehr vom ministerio de turismo nicaraguense verfolgen kann, passieren wir die traurigen Überreste des ehemaligen Leons. Es ist überschaulich, rote Steinmauern, hüfthoch, fünf, vielleicht sechs Meter lang. Wir laufen weiter, kommen an mehreren dieser Mauern vorbei und merken sehr schnell: hier passiert nicht viel.
Die kühle Idee einer leichten Brise wird vom See zu uns herübergetragen, zu uns, in diesem kleinen Wäldchen, mit all den altern Mauern um uns herum. Wir sind ein bisschen ratlos, denn das Weltkulturerbe schweigt und wir wissen nichts, zu antworten. Also machen wir ein paar lustige Fotos, besteigen einen kleinen Berg und sehen letztlich den Lago de Managua, sehen Palmen, die sich im Wind wiegen, dahinter, groß, mächtig, erhaben, schwarz, der Momotombo, - und fern der Ödnis jeglicher stillen Steinmauern muss man gestehen: das sieht schon schön aus hier.
Trotz der Idylle entscheiden wir uns nach geschätzten zwanzig Minuten, das Weltkulturerbe vor unseren Augen friedlich schlummern zu lassen. Fahren wir lieber zurück nach La Paz Centro, da ist mehr los.
Aber der Bus und der freundliche Busfahrer sind schon weg; zumindest scheint es so. Denn als wir zur gesagten Zeit am besagten Ort - einer ECKE - auf den Bus warten, kommt kein großes Fahrzeug vorbei. Nur ein Motito fährt die ganze Zeit wild durch die Gegend. Nicht fern von uns randaliert die Dorfjugend mit lautem Handygetöse die friedliche Stille in diesem namenlosen Ort und wir stellen weiter fest: ob Berlin oder Leon Viejo, die Jugend kann überall einen Knacks haben.
Irgendwann reicht es uns und wir halten das lustige Motito an; nach La Paz Centro
Leon Viejo hin oder her - als wir schließlich wieder in der Stadt Leon angekommen sind, tobt hier ein buntes Treiben: es ist Freitag, Wochenende, und die Studenten versammeln sich beim Straßenfest, dessen Zentrum direkt vor der Kathedrale liegt.
Wir setzen uns in unser Lieblingsrestaurant, bestellen ein Beef Steak und lassen es uns so richtig schmecken. Schließlich kommt die Zeit für unsere letzte Feststellung: man kann sagen, was man will. Die Wüste hat ihren Charme.
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